„Ein genialer und erfüllender Job“

Das Vorurteil, dass Landärzte viel arbeiten und wenig verdienen, stimmt nicht, sagt die Fehmaraner Landärztin Dr. Janine Feurer.

Dr. Janine Feurer hat sich als junge Landärztin auf Fehmarn niedergelassen. Im Interview erklärt sie ihre Entscheidung, aufs Land zu gehen, spricht über Vor- und Nachteile des Dorflebens und gibt Tipps für Studierende.

Frau Dr. Feurer, Sie sind Fachärztin für Allgemeinmedizin und haben sich 2016 gegen den Trend für eine Praxisübernahme auf der Insel Fehmarn entschieden. Warum?
Dr. Janine Feurer:Ich hatte schon an der Uni immer das Gefühl, dass ich etwas mit meinen Händen tun muss. Also habe ich nach meiner Zeit in der Inneren Medizin als Anästhesistin gearbeitet. Das war gut, aber ich wollte das Gefühl haben, für eigene Patienten verantwortlich zu sein. So hat sich irgendwann alles zusammengefügt und ich bin zur Allgemeinmedizin gekommen. Dass ich dann aufs Land gezogen bin, war eine Bauchentscheidung. In den zwei Jahren, in denen ich in der Praxis gemeinsam mit meinem Vorgänger Dr. Grünitz gearbeitet habe, konnte ich sie überprüfen – und habe gemerkt, dass es für mich absolut das Richtige ist.

Haben Sie lange überlegt, bevor Sie die Entscheidung getroffen haben?
Feurer: Als ich einmal so weit war, war die Entscheidung logisch. Und die Kollegen in der Stadt haben mich darin noch bestärkt. Einige meinten, dass ich genau das mache, wozu ihnen ein Stück der Mut fehlt.

Wie kann man andere junge Mediziner motivieren, auch diesen Schritt zu machen?
Feurer: Man muss den Studenten zeigen, dass das ein toller Job ist. Viele Kommilitonen von mir haben sich mit Innerer Medizin beschäftigt. Da ist der Weg zur Allgemeinmedizin nicht mehr weit. Genau die muss man intensiv informieren und zeigen, wie viel Spaß dieser Job und die Beziehung mit den Patienten macht. Außerdem kann man gut davon leben und hat eine hohe Lebensqualität.

Wie ist Ihr Leben auf der Urlaubsinsel Fehmarn?
Feurer: Schön. Aber als dauerhaften Urlaub darf man es sich natürlich nicht vorstellen. Zweifellos habe ich hier eine wahnsinnige Lebensqualität. Ich bin mit dem Fahrrad in fünf Minuten am Meer, lebe in der Natur auf dem Bauernhof. Mein Partner ist Landwirt und wir haben einen Hund, Hühner und zwei Kaninchen. Auf der anderen Seite ist das Leben auf dem Dorf natürlich anders als in der Stadt. Man muss irgendwie mit allen Menschen klarkommen, weil das Verhältnis enger ist.

Was mögen Sie an Ihrem Inselleben und was vermissen Sie dort?
Feurer: Wer gern ständig chinesisch oder arabisch essen gehen will, für den ist das Dorfleben nichts. Natürlich bin ich in meiner Zeit beim Studium in Hannover häufiger im Ballett oder Theater gewesen als jetzt. Dafür haben wir das schönste Kino im ganzen Norden hier auf Fehmarn. Was mir manchmal fehlt, ist in irgendeinem Café zu sitzen und wirklich niemandem zu begegnen. Einfach mal Anonymität zu haben. Aber die Momente sind selten. Viel häufiger freue ich mich darüber, auf welch schönem Flecken Erde ich hier lebe.

Inwiefern unterscheidet sich Ihre Arbeit auf Fehmarn von der in einer Großstadt?
Feurer: In der Stadt hatte ich das Gefühl, dass die Anspruchshaltung der Patienten sehr hoch ist. Wenn man keinen schnellen Termin beim Arzt bekommt, geht man eben in die Notaufnahme. Mich hat immer geärgert, dass die Leute da mit banalen Sachen kommen und die Ärzte von den wirklich wichtigen Fällen ablenken. Auf Fehmarn sind die Menschen härter im Nehmen. Wenn sie am Sonntag starke Schmerzen bekommen, dann warten sie lieber bis Montag, ehe sie zum Arzt gehen. Einfach aus Rücksicht und weil sie respektieren, dass der Arzt ja auch seinen Sonntag haben soll. Das ist lieb gemeint, sie wollen keinem zur Last fallen. Aber ich sage oft zu meinen Patienten: ›Rufen sie an, wenn es ihnen nicht gut geht, auch wenn es am Wochenende ist.‹ Dafür bin ich als Landarzt ja da. Wenn man sich für diesen Beruf entscheidet, muss man auch mal am Wochenende in Notfällen für die Patienten da sein.

Inwiefern stimmen Ihre Vorstellungen von damals mit Ihren praktischen Erfahrungen von heute überein?
Feurer: Eigentlich ist es noch besser, als ich es mir vorgestellt habe, auch weil ich auf dem Land arbeite. In der Stadt muss man oft einweisen oder überweisen, weil es jede Menge Fachärzte gibt. Auf dem Land macht man dagegen viele Dinge, die in der Stadt oft Fachärzte übernehmen würden. Mal ist es eine Ohrenspülung, mal Kleinchirurgie – und immer nah dran am Menschen.

Ist Landarzt ein Rund-um-die-Uhr-Beruf?
Feurer: Auf der einen Seite ja. Das gehört einfach zu diesem Job dazu. Auf der anderen Seite ist es so, dass man sich die Freizeit gut einteilen kann. Man ist sein eigener Chef. Das Vorurteil, dass Landärzte zu viel arbeiten und zu wenig verdienen, stimmt jedenfalls nicht!

Wie gut hat Sie das Studium auf die Praxis vorbereitet und würden Sie etwas ändern, wenn Sie noch mal studieren könnten?
Feurer: Insgesamt hat mich das Studium gut vorbereitet. Die Ausbildung in meinem Modellstudiengang war sehr gut. Wenn ich noch mal studieren könnte, würde ich vielleicht meine Praxiseinsätze noch breiter fächern. Aber man lernt das dann auch in der Facharztausbildung und der täglichen Arbeit mit den Patienten.

Wie ließe sich der Beruf des Landarztes für junge Mediziner noch attraktiver gestalten?
Feurer: Wenn man eine bessere Abdeckung mit Landärzten will, muss man für meine Begriffe an der Stellschraube der Finanzen drehen. Würden junge Mediziner wissen, dass sie selbstständig arbeiten und damit mindestens genauso viel verdienen könnten wie ein angestellter Oberarzt, entschieden sich viel mehr für diesen Job. Dann würde sich gleich auch das andere Problem mit der hohen Arbeitsbelastung von Landärzten in einigen Regionen lösen und der Beruf noch attraktiver werden. Zudem sollten Studenten früh reinschnuppern können in den Job. Man muss ihnen zeigen, wie schön die Arbeit eigentlich ist.

Die Praxis haben Sie von Dr. Herr Dr. Grünitz übernommen. Ist Ihnen ein Ratschlag von ihm besonders in Erinnerung geblieben?
Feurer: Es war nicht ein Ratschlag, es war seine ganze Einstellung zur Arbeit, in deren Mittelpunkt immer der Patient stehen muss. Am meisten hat er mir mitgegeben, sich selbst zu vertrauen und sich treu zu bleiben. Wenn man seinen Job liebt, dann ist man auch gut darin.

Was würden Sie jungen Menschen raten, die sich für die Ausbildung zum Allgemeinmediziner interessieren?
Feurer: Mein Rat an Studierende: ›Fragt schon zu Beginn des Studiums bei einem Hausarzt, ob ihr hospitieren könnt. Habt keine Angst vor der Niederlassung.‹ Natürlich ist man für die Finanzen und die Mitarbeiter verantwortlich, aber es ist alles machbar. Aber die Kassenärztliche Vereinigung bietet auch wahnsinnig viel Hilfe an. Man wird sozusagen an die Hand genommen. Bei mir haben sich sicher auch einige Patienten gedacht: ›Kann das Mädchen das?‹ Aber mindestens genauso viele haben gesagt, dass es gut ist, dass ich so jung bin. Dann müssen sie sich die nächsten 30 Jahre keinen neuen Arzt suchen. Und ich habe vor, die nächsten 30 Jahre zu bleiben. Einfach, weil es ein genialer und erfüllender Job ist.

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